Das zu kurze Zungenband

Das zu kurze Zungenband

In der Entwicklung des Embryos sind Zunge und Mundboden zunächst eins. Durch geplanten Zelltod trennt sich bis zum dritten Schwangerschaftsmonat der vordere Teil der Zunge vom Mundboden, so dass sie freibeweglich wird. Leider passiert dies aber nicht in allen Fällen vollständig. Bleibt ein Rest dieses Gewebes stehen und schränkt die Beweglichkeit und Funktion der Zunge ein, spricht man von einem zu kurzen Zungenband.


Kommen Babys mit einer eingeschränkten Zungenbeweglichkeit zur Welt, haben Sie oft Schwierigkeiten bei der Koordination von Saugen, Schlucken und Atmen. Zahlreiche Symptome bei Baby und Mutter können die Folge sein. Selbst Stillen in einer natürlichen, zurückgelehnten Position bringt häufig keine deutliche, dauerhafte Verbesserung. Manche Babys können in dieser Position sogar überhaupt nicht stillen, geschweige denn, an der Brust andocken. Da eine eingeschränkte Zungenbeweglichkeit auf das gesamte Leben Auswirkungen hat, lohnt sich an dieser Stelle gezielte Aufmerksamkeit.

  • Mögliche Hinweise beim Stillen

    • Das Baby stillt gefühlt den ganzen Tag, ohne nach dem Stillen zufrieden zu sein. Oder es stillt auffallend selten. 
    • Das Baby hat Schwierigkeiten, die Brust zu erfassen. 
    • Stillen ist nur mit Brusthütchen möglich. 
    • Das Baby hat Schwierigkeiten, den Mund weit zu öffnen und trinkt an der Brust wie an einem Strohhalm. 
    • Es schmatzt, schnalzt, klickt beim Stillen. 
    • Dem Baby rutscht häufig die Brust aus dem Mund oder es klemmt und beißt beim Stillen. 
    • Dem Baby läuft beim Stillen Milch aus dem Mundwinkel. 
    • Es schläft nach kürzester Zeit an der Brust ein oder es stillt aufgeregt: Hin-Weg-Verhalten, Weinen, biegt sich nach hinten durch und kann sich an der Brust nicht beruhigen. 
    • Stillstreik.
  • Mögliche Hinweise an der Brust

    • Schmerzen beim oder nach dem Stillen. Verformte, zusammengedrückte Brustwarzen nach dem Stillen. Wunde Brustwarzen.
    • Vasospasmus-Symptome (weiße oder blaue Brustwarzen, schießende Schmerzen).
    • Nach dem Stillen sind die Brüste immer noch prall, da die Brust nicht effektiv geleert wird.
    • Milchstau, Brustentzündung.
  • Mögliche sonstige Hinweise

    • Geringe oder auch sehr starke Gewichtszunahme ab Geburt. Häufig auch vorerst unauffällige Gewichtsentwicklung, die nach einigen Wochen ins Stocken gerät.
    • Um einen altersgerechten Gewichtsverlauf zu sichern, ist Zufüttern nötig.
    • Das Baby hat ein oder mehrere Saugbläschen an der Lippe.
    • Das Baby leidet unter Koliken, Bauchschmerzen, Blähungen. Es weint sehr viel.
    • Reflux-Symptome.
    • Ungewöhnlich später Beikostbeginn. Das Baby hat Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken, isst möglicherweise über lange Zeit nur sehr geringe Mengen.
    • Große Erschöpfung innerhalb der Familie durch die Stillsituation.

Wenn Stillprobleme bleiben, obwohl das Stillmanagement und die Stillposition optimiert wurden, ist es deshalb wichtig, eine eingeschränkte Zungenbeweglichkeit als Ursache abzuklären. 


Wichtig zu Wissen

  • Eine vollständige Abklärung oraler Restriktionen beinhaltet: Evaluierung von orofazialer Funktion, Kompensation und Dysfunktion – jeweils einzeln sowie im Zusammenspiel und größeren Kontext betrachtet, unter Berücksichtigung aller Symptome und optischer Hinweise bei Mutter und Kind (einzeln und als Dyade) und von Verhaltensweisen. Ohne diese Vorgehensweise ist eine Aussage bezüglich einer eingeschränkten Zungenbeweglichkeit nicht aussagekräftig.
  • Zungen- und Lippenbänder wachsen sich nicht aus.
  • Eine Frenotomie ermöglicht lediglich Beweglichkeit durch einen kleinen, medizinischen Eingriff. Sie führt im Alleingang nicht zur Funktionsänderung.  #notaquickfix
  • Funktion entsteht durch Verhaltensänderungen, Training und Therapie: Zeit, Übung und Wiederholung sind ausschlaggebende Faktoren.
  • Ohne Vorbereitung keine Frenotomie! Erst Funktionsoptimierung so weit wie möglich und in Einbezug der Gesamtsituation und des gesamten Körpers, dann Lösen der Restriktionen, dann Nachsorge und weitere Optimierung. Das Timing der Frenotomie innerhalb dieses Prozesses ist häufig ausschlaggebend für den Verlauf. 
  • Stillen – ohne Kompensationen und Dysfunktion – ist myofunktionelles Training: Es fördert Nasenatmung, Lippenschluss, die optimale Zungenruhelage, ein gesundes Schluckmuster und sorgt damit für die optimale Entwicklung von Kiefer und Atemwegen.
  • Die WHO empfiehlt: 6 Monate ausschließliches Stillen, danach – neben geeigneter Beikost – weiterstillen nach Bedarf bis zum Alter von 2 Jahren, oder darüber hinaus, wenn Mutter und Kind dies wollen.

Bitte bedenke: Nicht jeder Arzt/ Ärztin, Therapeut/ Therapeutin, Berater/ Beraterin kennt sich gleichermaßen gut mit oralen Restriktionen aus oder sieht die Frenotomie als Teil eines Prozesses! Transparente Zusammenarbeit aller beteiligten Fachleute hilft, das Stillen zu erhalten. Ich biete dir neben Stillberatung und meinem Fachwissen im Bereich orale Restriktionen, die weltweite Vernetzung zu Fachpersonen aus vielen Bereichen, die sich mit dem Thema beschäftigen. 


Zum Weiterlesen (deutsch)


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